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REZENSION (ursprünglich erschienen in AmigaGadget Nr.21)

Fish: "Yin"

Plattenlabel :Dick Bros. Record Company
Genre :Rock
Spieldauer :73:45 min
Preis :ca. 30 DM
Interpret :Fish
Titel :Yin

"Yin" und "Yang" sind zwei Elemente chinesischer Mythologie, die die beiden großen Gegensätze der Welt, aber damit auch die Ganzheit des Kosmos darstellen sollen. Grafisch haben "Yin" und "Yang" ihren Ausdruck in einem Kreis gefunden, der von einer Art Welle in einen schwarzen und einen weißen Teil getrennt wird, wobei beide Teile einen kleinen Punkt der anderen Farbe enthalten - kompliziert zu beschreiben, aber jedem bestimmt bekannt. Da die beiden Formen des Kreises entfernt an stilisierte Fische erinnern, hat sich nun der ehemalige "Marillion"-Frontmann Fish das Symbol für seine beiden neuen "Best of"-CDs zu eigen gemacht und diese folgerichtig "Yin" und "Yang" genannt. Aus Zeit- und Etatgründen soll in dieser "Gadget"-Ausgabe nur "Yin" behandelt werden. In Nummer 22 folgt dann die Rezension von "Yang".

Der Opener von "Yin" ist der alte "Marillion"-Titel "Incommunicado", den Fish allerdings mit seiner Band neu eingespielt hat. Das ursprünglich auf dem 87er Album "Clutching at Straws" veröffentlichte Stück ist eine Satire auf die Konsumgesellschaft - schnell, witzig und zum Mitklatschen. Auch die neue Version erweist sich als sehr livetauglich, am Arrangement hat Fish kaum etwas geändert. Lediglich die Gitarristen Frank Usher und Robin Boult ziehen trotz aller Bemühungen, das Stück gitarrenlastiger zu gestalten, gegen "Marillion"-Wundergitarristen Steve Rothery natürlich den kürzeren. Dennoch macht "Incommunicado" in der neuen Version Laune auf mehr.

Auf Fishs Solodebüt "Vigil in a Wilderness of Mirrors" war das zweite Stück von "Yin" zu finden : "Family Business", das hier in der Originalversion vertreten ist. Inhaltlich wird ein ernstes Thema, Gewalt in der Familie, behandelt, musikalisch ist es beste Fish-Ware : leicht melodramatisch, mit schönen Gitarrenpassagen (für die u.a. der auch schon bei den "Dire Straits" als Gastmusiker mitwirkende Hal Lindes verantwortlich zeichnet) und urwüchsigen Melodien.

"When I see you at the supermarket
sunglasses in the shade;
averting your eyes from those staring questions,
how were those bruises made"

Von seiner zweiten Soloscheibe, "Internal Exile", ist der nächste Titel, den Fish jedoch in neuer Fassung vorlegt. "Just good friends", eine schöne und ruhige Liebes-Ballade, ist nun ein Duett, das Fish gemeinsam mit Sam Brown, die vor ein paar Jahren mit dem Titel "Stop!" einen großen Charterfolg hatte, singt. Beide traktieren ihre Stimmen ein wenig zu sehr betont, aber ansonsten macht die neue Darbietungsform bei diesem Titel durchaus Sinn.

"Pipeline", der vierte Titel von "Yin" ist dann wieder eine Originalversion und stammt ursprünglich vom 94er Album "Suits" (siehe "AmigaGadget" 15). Nach wie vor ein zwar recht rhythmischer, aber dennoch eher mittelmäßiger Track.

Interessanter wird es nun mit dem "Institution Waltz", einem Stück, das aus dem Jahre 1981, also aus den Anfangstagen "Marillion"s stammt, das jedoch noch nie zuvor veröffentlicht wurde. Fish hat das Stück mit seiner Band für "Yin" neu eingespielt und es ist wahrlich ein Leckerbissen. Zunächst fühlt man sich auf einen Jahrmarkt versetzt, ein Gefühl, das anhält, bis man realisiert hat, daß es sich tatsächlich um eine Art Walzer mit den Mitteln der Rockmusik handelt.

Es folgt erneut ein Stück von der "Internal Exile"-CD. "Tongues" liegt jedoch im Gegensatz zu "Just good friends" lediglich in der Originalversion vor. Diese ist jedoch so gut, daß man das leicht in Kauf nimmt und den Song mit dem treibenden Rhythmus und dem beißend spottenden Text erneut gerne hört.

"Your entrenched opinions,
on the border of arrogance,
dug in against the compromise.
A position indefensible, your actions illogical.
You're speaking in tongues."

Ebenfalls "nur" eine Originaleinspielung, aber dafür eine, die bis dato erst auf der nur in geringer Auflage gepreßten CD "The Outpatients", auf der Fish neben anderen schottischen Musikern musizierte, erschienen war, ist "Time & A Word", eine Coverversion des Lovesongs der britischen Band "Yes". Das Stück klingt zwar recht nett, aber das ist es auch schon - sowohl musikalisch (trotz Gastgitarrist Steve Howe) als auch was den Text angeht ist "Time & A Word" nicht mehr als ein normaler, netter Popsong.

Es folgt die zweite Originalversion von "Vigil", das Stück "Company", das nach wie vor mit zu den besten Fish-Songs seiner Solokarriere gehört. Treibende Rhythmen, faszinierende Instrumentierung (inkl. Geige, Akkordeon...) und ein interessanter Text machen "Company" zu einem Titel, dem es an nichts fehlt und der auf einer "Best of"-CD einfach vertreten sein mußte.

Etwas älter ist dann "Incubus", ein Song aus den Zeiten von "Marillion". Fish hat das Stück vom "Fugazi"-Album für "Yin" neu eingespielt und die 95er Version von "Incubus" kann in der Tat der alten zumindest das Wasser reichen. "Incubus" ist mal wieder Fish-Musik in Reinkultur : Theatralik, hervorragender Text und überraschende Melodien auf über 9 Minuten Länge.

"But now I'm the snake in the grass,
the ghost of film reels past,
the producer of your nightmare
and the performance has just begun."

Mal wieder eine altbekannte Version ist "Solo", ein Stück von Fishs Album "Songs from the Mirror", das lediglich Coverversionen enthielt. Nach wie vor ein gutes, aber nicht sehr inspiriertes Stück Popmusik.

"Favourite Stranger" stammt von "Internal Exile", wurde jedoch für "Yin" neu eingespielt. Es ist ein ruhigeres Stück mit schönen Melodien, bei dem diesmal Sam Brown die Backing Vocals übernehmen durfte. Wie schon bei "Just good friends" nicht unbedingt eine Steigerung zum Original aber eine durchaus interessante Version.

Zusammen mit der "Sensational Alex Harvey Band" hat Fish das nächste Stück neu eingespielt - "Boston Tea Party" vom Cover-Album "Songs from the Mirror". Das Stück handelt nach wie vor (satirisch) von der sogenannte "Tea-Party", dem Ereignis, in dem amerikanische Freiheitskämpfer als Indianer verkleidet Teesäcke von englischen Schiffen ins Meer warfen, um gegen die Steuerhoheit des englischen Köngis zu protestieren, was dann letztlich den amerikanischen Unabhängigkeitskrieg auslöste. Für den Song gilt : oberes Pop-Niveau, mittleres Fish-Niveau.

Mit einem nach wie vor ebenfalls nicht sonderlich überzeugenden Titel endet dann die CD. "Raw Meat" ist eine Ballade vom Album "Suits" und hier in der Originalversion zu finden.

Mit "Yin" ist das so eine Sache. Betrachtet man es isoliert, ist "Yin" ein tolles "Best Of"-Album. Gute Originalversionen ("Tongues", "Company", "Family Business"), interessante Neueinspielungen ("Incubus", "Incommunicado", "Just good Friends") und überraschende Erstveröffentlichungen ("Institution Waltz" und in gewisser Weise auch "Time & A Word") sind genau das, was man von einem solchen Album erwartet. Ein paar Ausrutscher ("Raw Meat", "Pipeline") können da gerne übersehen werden, besonders da die CD 13 Titel mit über 70 Minuten Gesamtspielzeit enthält. Darüber hinaus sind sowohl das Cover als auch das Booklet - obwohl es leider keine Texte enthält (es wird ein gesondertes Textbuch geben, siehe dazu auch das Interview in diesem "Gadget") - recht gut gestaltet. Daß es sich bei der CD natürlich nicht um eine simple Silberscheibe sondern um eine mit schönem Aufdruck handelt, braucht bei Fish ebenfalls fast nicht mehr erwähnt werden. Doch das Problem von "Yin" liegt nicht bei der CD selbst. Vielmehr ist es ärgerlich, daß nach dem Live-Doppelalbum "Suits" (siehe "Gadget"#14) und dem "Acoustic Concert" (siehe "Gadget"#19), die ja alle bereits nur altes Material enthielten, so betrachtet nun schon die "Best of"-Alben 4 und 5 innerhalb nur eines Jahres erscheinen. Die finanziellen Probleme von Fishs eigener Plattenfirma scheinen dieses wiederholte Ausschlachten alten Songmaterials notwendig zu machen. Für Fish-Fans ist es hingegen etwas frustrierend, stets nur alten Fisch in neuer Soße serviert zu bekommen. Darüber hinaus finden sich auf "Yin" nur 3 Titel aus Fishs Zeit bei "Marillion", obwohl diese doppelt so lange dauerte, wie seine bisherige Solokarriere. Hier hätte er ruhig etwas anders gewichten können.

Alles in allem ist "Yin" natürlich ein sehr gutes Album mit starkem Songmaterial. Für diejenigen, die noch nie etwas von Fish oder "Marillion" gehört haben und die etwas bombastische Rockmusik mögen, sei "Yin" somit allerwärmstens empfohlen. Für sein Geld bekommt man über 70 Minuten größtenteils anspruchsvoller Rockmusik geboten. Fish-Fans hingegen seien gewarnt. Ihnen wird vieles sehr bekannt vorkommen - auch die neu eingespielten Versionen ähneln größtenteils sehr stark den ursprünglichen. Inwieweit das auch für das zweite "Best of"-Album im Bunde gilt, wird im nächsten "Gadget" zu lesen sein. Auf "Yang" finden sich u.a. so hervorragende Titel wie "Kayleigh", "Lavender" oder "Big Wedge". Zu guter letzt sei noch erwähnt, daß auf der Rückseite des Booklets von "Yin" auf die FishNet-Seiten, denen das in diesem "Gadget" enthaltene Interview im Original zu verdanken ist, hingewiesen wird. Der Fisch ist im Netz.

Andreas Neumann

"I'll have this last waltz with you
we'll dance until the end."

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Letzte Änderung: 19. Januar 1997
Andreas Neumann (Neumanna@stud-mailer.uni-marburg.de)