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REZENSION (ursprünglich erschienen in AmigaGadget Nr.22)

Fish: "Yang"

Plattenlabel :Dick Bros. Record Company
Genre :Rock
Spieldauer :71:58 min
Preis :ca. 30 DM
Interpret :Fish
Titel :Yang

Nachdem mit "Yin" das erste der beiden "Best Of"-Alben des schottischen Rockbarden Fish bereits im letzten "AmigaGadget" ausführlich vorgestellt wurde, ist es nun an der Zeit für die angekündigte Rezension des zweiten. Mit "Yang" betitelt komplettiert die CD die - ganz im Sinne der in der chinesischen Mythologie wurzelnden Symbolik von "Yin" und "Yang" - umfassende Titelauswahl aus dem gesamten Werk des ehemaligen "Marillion"- Texters und Frontmannes. So finden sich nun auch auf "Yang" ausgesuchte Werke aus der von 1980 bis zum heutigen Tage andauernden Schaffenszeit Fishs.

Das erste Stück der CD ist "Lucky", ein Titel vom 91er Soloalbum "Internal Exile", der hier jedoch in einer neu eingespielten Version vorliegt. Die Rhythmen sind etwas härter, etwas treibender als im Original, und das Stück verbreitet nach wie vor hervorragende Live-Atmosphäre.

Ebenfalls recht locker-flockig geht es beim zweiten Stück zur Sache - "Big Wedge" von Fishs Solodebüt "Vigil in a Wilderness of Mirrors". Auf "Yang" ist eine neu abgemischte Version des Originals zu hören - die Unterschiede sind - bis auf eine starke Rhythmisierung gegen Ende - geringfügig und werden durch die starke Betonung der Blasinstrumente ohnehin eher zur Nebensächlichkeit. Trotz des fast karnevalesken Zusammenspiels von Rhythmus und Instrumentierung ist "Big Wedge" inhaltlich keineswegs leichte Kost, sondern ein bitter-zynisches Stück über den Ausverkauf der Werte und der menschlichen Seele.

"You'll sell the ground beneath your feet;
you'll sell your oil you'll sell your trees;
your ideals and integrity your culture and your history;
your children into slavery to labour in their factories;
your mother and your family, you'll sell the world eventually."

Deutlich beschaulicher geht es dann bei "Lady let it lie" zu, einer Ballade von Fishs letztem Studioalbum "Suits". Sie ist hier in einer teilweise neu abgemischten Version zu hören - kann aber genau wie schon bei "Suits" trotz Einsatz eines Hintergrundchors (verantwortlich zeichnet der Senior Chor der Knox Academy) kaum begeistern.

Zurück in die Tage von Fishs größten Erfolgen führt der nächste Titel des Albums. "Lavender" stammt vom "Marillion"-Hit-Album "Misplaced Childhood" und war damals stark in dessen konzeptalbumähnlichen Charakter eingebunden. Wie alle "Marillion"-Titel auf "Yin" und "Yang" ist auch dieser von Fish mit seiner heutigen Band neu eingespielt worden - und das wahrlich nicht schlecht. Am Anfang etwas ruhiger als das Original, gewinnt die 95er Version zum "dramaturgischen" Höhepunkt stark an Kraft und kann vollauf überzeugen. Daß Frank Usher und Robin Boult - obwohl sie exzellente Gitarristen sind - nicht an Steve Rothery heranreichen können, war zu erwarten gewesen und ändert nichts an der hohen musikalischen Qualität der Neuauflage von "Lavender". Inhaltlich ist das Stück nach wie vor in erster Linie eine Liebesballade - und zwar eine schöne.

Nach zwei nun inhaltlich und musikalisch etwas zahmeren Stücken geht es mit "Credo" wieder mehr zur Sache. Sowohl hinsichtlich der sozialkritischen Aussage des Textes als auch mit Blick auf die leicht bombastisch wirkende Instrumentierung - bei der hier vorliegenden neu eingespielten Version dürfen sich sogar Bassist David Paton und Keyboarder Foss Paterson als Gesangs-Chor produzieren - weist das Stück Parallelen zu "Big Wedge" auf. Leicht getrübt wird der Eindruck, den das an für sich gute Stück macht, leider durch das Doppel Paton/Paterson, deren Hintergrundgesang gegen Ende eher wie ein Shanty-Chor klingt und reichlich deplaziert wirkt. Bis zu dieser Stelle ist aber auch das "Yang"-"Credo" mehr als nur hörenswert.

"An oily shroud on a coral reef,
A black cloud's hanging over me.
When I hit on the remote,
The programmes stay the same."

Der nächste Titel liegt ausnahmsweise mal wieder im auch nicht neu abgemischten Original vor - und das, obwohl bis auf Fish selbst kein Mitglied seiner momentanen Band daran beteiligt war. "A Gentleman's excuse me" - vom "Vigil"-Album - ist eine wunderbar schnulzige Ballade, die musikalisch von Fishs Gesang und Mickey Simmonds Pianoklängen dominiert und von Orchesterklängen ummalt wird. Ruhig, poetisch, schön - fast etwas süßlich, aber nur fast.

Den größten "Aha"-Effekt dürfte Lied Nummer 7 beim Hörer auslösen. "Kayleigh" ist nicht nur der Name einer früheren Freundin Fishs sondern auch der Titel der kommerziell wohl erfolgreichsten "Marillion"-Nummer, die wie auch "Lavender" vom "Misplaced Childhood"-Album stammt. Erwartungsgemäß liegt sie hier mit neuer Besetzung neu eingespielt vor - und ist musikalisch ein klein wenig bombastischer als das Original, wobei besonders die kleineren Dinge wie gelegentliche Percussioneinsätze und Gitarrenriffs positiv auffallen.

Ebenfalls neu eingespielt ist auch "State of Mind", ein weiterer Titel, der im Original vom "Vigil"-Album stammt. Und wie so viele Stücke von Fishs Solodebüt ist auch dieses ein hervorragendes Stück Rockmusik - und das, obwohl die Neueinspielung "State of Mind" fast in die Richtung einer "Acoustic"-Version rückte. Durchgängig nicht besonders schnell aber dafür eine umso intensivere Wirkung entfaltend lebt das Stück in musikalischer Hinsicht primär von einigen Tempowechseln und Fishs Gesang.

"I don't trust the government;
I don't trust alternatives;
it's not that I'm paranoid
it's just that's the way it is."

Eines der wenigen überdurchschnittlich guten Stücke von "Suits" folgt als Titel Nummer 9 auf "Yang". "Somebody Special" wurde zwar mit akustischen Gitarren als Rhythmusinstrumente neu eingespielt, kann aber auch in dieser Fassung durchaus überzeugen. Fishs Sprechgesang und ein schnelles Tempo sorgen für die musikalische Kraft von "Somebody Special", einem Stück über eine Frau, die verzweifelt versucht, sich aus der anonymen Menge herauszuheben und dabei doch nur in verschiedene Klischees ("Suits") schlüpft.

Von "Clutching at Straws", dem letzten "Marillion"-Studioalbum, an dem Fish mitwirkte, stammt der nächste Titel. "Sugar Mice" ist eine melancholische Ballade, die für "Yang" (natürlich) neu eingespielt wurde - und zwar diesmal mit dezenter Cello-Unterstützung durch Wendy Weatherby. Gegen Ende wird die 95er-Version von "Sugar Mice" recht schnell, steigert sich fast zu einer Art Stretta hin - um dann standesgemäß in aller Ruhe zu verklingen. Nach wie vor dürfte dies einer der schönsten Titel sein, die Fish jemals (mit)komponiert hat.

Fast wie ein Schock wirkt dann der Beginn des nächsten Titels - vom 84er Album "Fugazi" stammt das kraftvolle "Punch & Judy", das hier von Fish mit Band neu eingespielt wurde. Die Unterschiede zum Original hinterlassen einen zwiespältigen Eindruck : an manchen Stellen wirkt die Instrumentierung etwas unglücklicher, an anderen Stellen kommt der wütend-aggressive Charakter der Stücks jedoch besser zum Ausdruck. Eindeutig eine Verbesserung hat jedoch der Gesang Fishs erfahren, der zwischen einem dämonisch leisen Flüstern und wütender Lautstärke alles bietet. Witzigerweise scheint Fish gegen Ende den Originaltext ("Goodbye Judy") ins Deutsche ("Wiedersehen Judy") übersetzt zu haben - was zwar durchaus auch ein Irrtum des Rezensenten sein könnte, bei Fish jedoch nicht unbedingt ungewöhnlich wäre (man denke nur an "Ich zeig Dir alles, alles was Du willst" in "Jump Suit City" oder die "West German Autobahns").

"Whatever happened to pillow fights, Friday nights and jeans so tight,
lover's lane, passion games, Sunday walks in the pouring rain."

Mit einer Spielzeit von 8:08 Minuten ist der nächste Titel "Fortunes of War" der längste der CD. Es handelt sich um die Originalversion vom "Suits"-Album, eine ruhige und nachdenkliche Ballade, deren Besonderheiten vor allem in der Instrumentierung - inklusive Flöte und Saxophon - liegen. Inhaltlich beschäftigt sich das Stück in gewisser Weise mit einem melancholischen Rückblick auf die Kindheit und die damaligen Spiele, die im späteren Leben leider viel zu oft und viel zu schnell (auch blutiger) Ernst werden können. Wie so vieles vom "Suits"-Album sind auch die "Fortunes of War" musikalisch eher mittelprächtig und wissen primär durch den Text zu gefallen.

Eine kleine Rarität gibt es dann zum Abschluß zu hören - zwei Jahre, bevor die auf dem gleichnamigen Album veröffentlichte Version von "Internal Exile" eingespielt wurde, also 1989, ganz zu Beginn von Fishs Solokarriere, wurde die nun folgende Fassung aufgenommen. Musikalisch verantwortlich zeichnen neben Fish hier der Keyboarder Mickey Simmonds, John Keeble und Mark Brzezicki am Schlagzeug, John Giblin am Bass, Frank User und Ex-"Dire Straits"-Mitglied Hal Lindes an der Gitarre, sowie Phil Cunningham an Akkordeon und Pfeife und Aly Bain an der - schön folkloristisch klingenden - Fiedel. Das Stück, eine Forderung nach Stärkung der schottischen Souveränität, wirkt in dieser alten, ungewohnten Fassung wunderbar frisch und neu - und das, obwohl Fish nun schon zahlreiche "Internal Exile"-Varianten eingespielt hat. Es ist auf jeden Fall ein würdiger Abschluß von "Yin" und "Yang".

"The fish are few, the harbours empty,
The keels now rot on our oil slicked shores.
The sheep are gone, the farms deserted,
We're out of sight and we're out of mind."

Anders als "Yin" findet man auf "Yang" wirklich nur altbekanntes Songmaterial - freilich in teilweise neuer (bzw. alter aber unveröffentlichter) musikalischer Verpackung. Dennoch kann das Album - ebenso wie "Yin" - als "Best Of"-Sammlung überzeugen - die Auswahl wurde gut und, vielleicht bis auf "Fortunes of War" und "Lady let it lie", auch musikalisch interessant getroffen. Erneut bekommt man für sein Geld 13 Titel mit über 70 Minuten Spielzeit. Die Qualität des Booklets entspricht ziemlich genau der des "Yin"-Äquivalents - auffälligster Unterschied dürfte die Hell-Dunkel-Invertierung des Covers sein. Doch gilt natürlich auch bei "Yang" die schon bei "Yin" angeführte Kritik : nicht nur, daß gegen etwas mehr Titel aus "Marillion"-Zeiten (besonders angesichts der hervorragenden Qualität insbesondere von "Lavender" und "Punch & Judy") nichts einzuwenden gewesen wäre - vielmehr wartet der Hörer auch gespannt auf neues Songmaterial aus der "Funny Farm", "Best Of"-Alben in Form von Akustik-Konzerten und Live-Mitschnitten hatte man in der Vergangenheit bereits genügend. Doch etwas Geduld wird die Fangemeinde des Schotten wohl noch aufbringen müssen - die "Sunsets on Empire", so der Arbeitstitel des nächsten Studioalbums, dürften erst Anfang 1997 das Licht der Welt erblicken.

Bei der abschließenden Frage, ob es sich bei "Yang" um Fisch oder Fleisch handelt, kommt es ganz darauf an, was man schon konsumiert hat. Derjenige, der bereits jeden erreichbaren Fish, sprich alle offiziellen "Fish"-Alben, verschlungen hat, dürfte auf "Yang" nur etwas neu gewürzte Varianten schon bekannter Gerichte finden - was natürlich auch durchaus reizvoll sein kann, andererseits ernährungstechnisch kein Gewinn sein dürfte. Wer jedoch erst wenig oder noch gar nichts fishiges zu sich genommen hat, der findet mit "Yang" einen hervorragenden Karriere-Mix des Schotten, der durchaus lecker schmeckt und fürs Geld viel Musik garniert mit anspruchsvollen Texten bietet. Die Empfehlung kann in jedem Fall nur lauten : Guten Appetit !

Andreas Neumann

"So if you want my address it's number one at the end of the bar
where I sit with the broken angels clutching at straws and nursing our scars"

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Letzte Änderung: 19. Januar 1997
Andreas Neumann (Neumanna@stud-mailer.uni-marburg.de)