die Übersetzung des "FishNet"-Interviews mit dem schottischen Rockmusiker
Der folgende Text entstand mit freundlicher Genehmigung von
die auch das Originalinterview führten und bei denen auch das Copyright für das Interview liegt. Das Originalinterview kann in den "FishNet"-Seiten im WorldWideWeb unter der Adresse
nachgelesen werden. Für die nette und schnelle Erteilung der Erlaubnis sei hiermit Mark & Julie nochmals gedankt. Die Übersetzung sowie die kurze Einleitung wurden von mir geschrieben. (an)
Im Jahre 1979 schlossen sich die Musiker Mick Pointer, Doug Irvine und Andy Glass unter dem Namen "Electric Gipsy" zusammen. Nach einigen Umbesetzungen und Umbennenungen entstand schließlich die Gruppe "Marillion", deren Leadsänger von 1981 bis zum 12.September 1988 der 1958 geborene Derek William Dick war und die unter anderem durch Hits wie "Kayleigh", "Market Square Heroes" und "Garden Party" auch einem größeren Publikum bekannt geworden war. Dick trat dabei und auch bei seiner nach der "Marillion"-Zeit beginnenden Solokarriere stets unter seinem Spitznamen "Fish" auf. Zu diesem kam er hauptsächlich durch eine Angewohnheit aus seiner Jugend, als er nur einmal wöchentlich ein Bad nehmen konnte und das dann zu einer abendfüllenden Angelegenheit mit Süßigkeiten, Zigaretten, Bier und einem guten Buch machte. Kamen bei so einer Gelegenheit Bekannte vorbei, so mußten sie teilweise stundenlang auf ihn warten - und einer von Dicks Freunden verpaßte ihm deshalb nach einer zwei Stunden langen Warterei den Spitznamen "Fish". Inzwischen hat Fish mit seiner Band bereits vier Soloalben ("Vigil In The Wilderness Of Mirrors", "Internal Exile", "Songs From The Mirror" und "Suits") plus einiger Live- und Akustik-Alben ("Sushi", "The Acoustic Concert",..) veröffentlicht. Für Ende September sind die beiden CDs "Yin" und "Yang" angekündigt, die als Best-Of-Alben hauptsächlich altes Material enthalten werden, das jedoch teilweise neu arrangiert wurde - in Fishs eigenem Studio "The Funny Farm" und unter seinem eigenen Label "The Dick Brothers". Darüberhinaus gibt er zahlreiche Konzerte, die von dem offiziellen Fish-Fanclub, der "Company", organisiert werden.
© by Mark & Julie Wynne, deutsche Übersetzung von Andreas Neumann
Viel Bier, Wein und Nahrungsmittel sind sowohl im Pub als auch in der Funny
Farm konsumiert worden. Fish mußte am nächsten Morgen zu einer lächerlich
frühen Uhrzeit aufstehen, um das Video zu "Just Good Friends" abzudrehen.
Aber zunächst stand ein Interview für das FishNet an. Am nahesten waren
wir bisher einem Interview gewesen, als uns die Polizei wegen
Geschwindigkeitsüberschreitung anhielt !
Wir waren gelinde gesagt besorgt. Wird Fish die Fragen einfach mit "Ja" oder
"Nein" beantworten, wird das Interview länger als 2 Minuten dauern ?
Nun, es dauerte in der Tat länger als 2 Minuten !! Es ist dann tatsächlich so lang geworden, daß wir es der Lesbarkeit wegen in Einzeilteile aufgespalten und sie mit losen Überschriften versehen haben. Hatten wir wirklich Angst, daß Fish einfach nur "Ja" oder "Nein" antworten würde ? Es wäre um einiges leichter und schneller einzugeben gewesen, wenn er es getan hätte.
Das ärgerlichste daran war die Tatsache, daß diese Textbücher,
die ich mehrere Jahre mit mir geführt hatte, und die eine Unmenge
Notizen und Anmerkungen enthielten, gestohlen worden waren.
Schließlich wurden sie gefunden, der Großteil der Kleidung und der
anderen Dinge blieb weiterhin verschwunden. Aber die Textbücher
wurden an einem Bahndamm in Brixton gefunden. Das war's und der
Rest war nebensächlich, ich habe die Textbücher immer noch und sie
enthalten alle Originaltexte. Für das "Masque"-Buch wollte ich sie
photographieren oder sie scannen und im Buch veröffentlichen, etwas,
das ich vielleicht für das Textbuch, das für "Yin" und "Yang"
geplant ist, verwirklichen werde, da eines meiner Anliegen bei
"Yin" und "Yang" ist, nicht einfach die Texte zu wiederholen, weil
jeder die Texte bereits in einem anderen Albumtextheft hat. Bis auf
so Sachen wie "The Institution Waltz" ist der ganze Rest ziemlich
gut dokumentiert. So beschloß ich während einer feuchtfröhlichen
Nacht, handgeschriebene Anekdoten zu jedem der Titel zu schreiben
und ich verbrachte mindestens 3 bis 4 Stunden täglich während des
größten Teils der Frankreich-Tournee damit, all die Kleinigkeiten,
von denen die Songs handeln, niederzuschreiben. Aber Fin Costello
hat solch großartige Fotos geschossen, daß einerseits die
Fotos schlichtweg ruiniert worden wären, wenn man einen meiner
Texte darübergelegt hätte und daß andererseits die Texte kaum
zu erkennen gewesen wären, wenn sie über den Fotos gelegen hätten.
Deshalb haben wir beschlossen, die beiden Alben, "Yin" und
"Yang", zu veröffentlichen und ihnen ein Booklet für Mitglieder
des Fanclubs folgen zu lassen, das dann mehr der Fotos von Fin
Costello und auch viele der handgeschriebenen Texte zu den
einzelnen Stücken und den anderen Themen enthalten wird. Die
Idee geht dahin, daß wir es versuchen und auch einige der alten
Fotos dazu geben wollen. Und das ganze kommt dann in einer
eigenen Schachtel. Wenn die Mitglieder des Fanclubs es also wollen,
können sie es bestellen. Ich weiß nicht, wie wir das im einzelnen
machen werden, wir haben das noch nicht ganz durchdacht, aber es
wird nur wenige Pfund kosten und man bekommt im Prinzip ein
Booklet, das in die Schachtel paßt. Rob Ayling, mein Labelmanager,
versucht momentan herauszufinden, wie wir sie individuell
numerieren und benennen können, so daß jedes Mitglied der
"Company", das es so will, eine Schachtel mit den Texten bekommen
kann, in die die "Yin"- und "Yang"-Alben paßen und in der auch
noch genug Raum für die "Radio Edits"- und die "Interview"-CD ist.
Auf diese Weise hat man eine nette Sammelbox. Ich würde
beispielsweise liebend gerne "The Instiution Waltz" fotokopieren
und das Original von "Punch&Judy" hineinbringen und die
Rotweinflecken zeigen und all das.
Man kann stundenlang an etwas arbeiten und dann drückt man aus
Versehen den falschen Knopf oder in der Mitte eines gewaltigen
Sturms, der der Offenbarung entsprungen ist, wird plötzlich
das Resultat Deiner Arbeit der letzten sieben Monate
ausgelöscht. Deshalb verlasse ich mich immer noch sehr stark
auf die alte Methode - ein bißchen Papyrus, wunderbar. Es gibt
nichts, das es mit dem Gefühl von etwas Papier aufnehmen kann !
Die Akustik-Konzerte begannen bei den "HMV in store"-Shows.
Ich erinnere mich an das Konzert in Glasgow mit Frank und Robin,
bei dem sie fragten "Was sollen wir machen ?", und ich sagte :
"Laßt uns 'Lucky' ausprobieren" und plötzlich gab es quasi einen
Knall und es war großartig ! Daraufhin spielten wir natürlich
das sich dazu schier aufdrängende "Dear Friend" und die anderen
Stücke. Wir versuchten "Internal Exile" und es klappte toll.
Daraufhin telefonierte ich mit meinem Agenten und sagte : "Laß uns
Akustik-Konzerte machen." und er sagte : "Nun, ich denke nicht,
daß das eine gute Idee ist, es könnte schiefgehen." Und dann
gingen wir raus und gaben einigen Konzerte, die wirklich toll
waren. Die absolute Minimal-, Minimal-, Minimal-Version des ganzen
kam dann, als Frank und ich nach Südafrika flogen. Wir hatten dort
einen Keyboarder und einen Gitarristen, die nie zuvor mit uns
zusammen gespielt hatten. Es endete damit, das wir ein
eine Stunde und zwanzig Minuten dauerndes Konzert mit sieben
Liedern gaben. Es war wie eine Improvisation, Fish spielt Billy
Connolly.
Das ganze akustische Material war so angelegt, daß wir in
Gebieten spielen konnten, in denen wir nie zuvor auftreten konnten.
Man kann nicht mit einer kompletten Produktion und allem was
dazugehört losziehen, wenn man bei bestimmten Orten weiß, daß man
dort kein großes Publikum hat. In Reims waren 62 Leute, in Caen
etwa 52, in Straßburg 600, in Lyon ungefähr 400 / 500, in Marseille
600. Man muß sich auf die Umstände einstellen. Man muß dem ganzen
gegenüber eine Art Guerilla-Kriegsführungsstrategie entwickeln.
Man hat die Wahl, die Shows nicht zu machen und sich auf die Single
und das Video zu verlassen, um den Markt zu testen und zu
durchblicken, oder man beschränkt sich und geht mit einem
Minimum an Helfern in den Tournee-Bus, mit der geringsten Menge
an Ausrüstung, die für eine mehr als nur akzeptable Show notwendig
ist. Das Akustik-Konzert entwickelte sich zu einer Show, die
exzellent war und die ich persönlich sehr mochte. Als Sänger gab
es mir die Möglichkeit herumzuspielen. Wie ich schon sagte, die
Ausrüstung mußte man sich manchmal erbetteln, borgen oder stehlen.
Man kann nicht ankommen und ein M4-System und ein Halleffektgerät,
etc., etc. verlangen. Es gehört dazu, daß man mit ziemlich
schäbiger Ausrüstung arbeiten muß.
Man hat vor ein paar Jahren die Frequenz der schnurlosen
Mikrophone geändert und es gibt eine Menge unterschiedlicher
Systeme. Ich mochte gewöhnlich das System von Sony, mit einem
Shure SM58 - Kopf. Es gibt da aber bestimmte Frequenzen, die
einfach verschwinden, sie werden schlichtweg nicht übertragen.
Die ganze Art und Weise, in der das schnurlose Mikrophon arbeitet,
tendiert dazu, Frequenzen aufzufangen, die viel Feedback
erlauben, und man verliert dabei viel vom Körper der Stimme. Das
System, das ich heutzutage bevorzuge, ist ein Kabelsystem, und
ich verwende das 87er, das eigentlich ein Studiomikrophon ist.
Wir kauften das während unserer letzten Tournee. Ohne zu technisch
werden zu wollen, handelt es sich dabei um ein Mikrophon, das
über einen engen Tonabnehmungsbereich verfügt - man muß sehr nah
dran sein - aber das eben Qualität hat. Ich habe einen für einen
Sänger ungewöhnlichen Frequenzbereich, der beste Teil des Bereiches
liegt zwischen 17 und 22 K. Das ist im mittleren Bereich, bzw. über
der Mitte. Bei einem schnurlosen Mikrophon neigt diese
Frequenz am meisten zur Rückkopplung.
Ich mag die Bewegungsfreiheit, die man bei einem schnurlosen
Mikrophon hat, ich mag die Möglichkeit, hin und her zu rennen, ohne
dabei zu straucheln und aufs Gesicht zu fallen. Und ich mag die
Möglichkeit, damit in die Zuschauermenge zu gehen, aber die
Qualität leidet darunter und ein Mikrophon mit Kabel wird da immer
das beste sein. Und wie schon gesagt, ist das 87er, mit dem ich zur
Zeit arbeite, das bei weitem beste Mikrophon, mit dem ich je auf
der Bühne gearbeitet habe. Sowohl der Toningenieur als auch Yatta
sagten, daß die Qualität der Stimme, die dabei rüberkommt,
unglaublich war. Wenn die Quelle gut ist, wenn das, was man ins
Mikrophon gibt, gut ist, dann haben sowohl Dein Touringenieur
als auch Dein Monitor-Ingenieur bessere Chancen, damit umzugehen.
Wenn man mehr Substanz zum Verarbeiten hat, kann man damit mehr
im Tonbereich und beim Bühnensound anfangen. Das ist eins der
größten Probleme, die man auf der Bühne hat; viele der größten
Probleme hängen immer mit schlechten Monitor-Ingenieuren zusammen,
da man einen schlechten Monitor-Ingenieur oder ein schlechtes
Monitorsystem auf der Bühne überkompensieren muß. Ich bin der Typ
Sänger, der eher Wert auf die Vorstellung legt. Ich brauche das
Licht und den Schatten, ich brauche die Fähigkeit, mit der
Dynamik des Vortrags zu arbeiten. Ich mag sowohl die Möglichkeit,
zu flüstern und dabei das Flüstern zu hören als auch gleichzeitig
die Möglichkeit, zu schreien und einen Schrei zu bekommen. Zum
Beispiel in "State of Mind" setzt man so leise an, daß man damit
spielen kann. Wenn man ein schlechtes Monitor-System hat, kann man
das nicht, man neigt dazu, überzukompensieren. Sobald man
überkompensiert, überspannt man seinen Gesang. Wenn man ein Konzert
gibt und das Monitor-System ist nicht in Ordnung, kann es
vorkommen, daß man etwa zwei Stunden lang singt, es sich aber in
derselben Zeit anfühlt, als hätte man sechs Stunden gesungen. Das
heißt, daß die drei aufeinanderfolgenden Konzerte sich wie fünf
anfühlen. Man quält sich viel ab und je mehr man sich abquält,
desto mehr wird es einem heimgezahlt, selbst wenn man einen Tag
frei hat. Wenn man sich fünf Tage abquält und einen Tag frei nimmt,
geht man auf vier zurück, was bedeutet, das man die nächste Runde
mit einer drei- zu vier-Tages-Plackerei beginnt. Die Vorstellung
ist die, daß man nur vielleicht zwei oder drei Konzerte gibt und
dann einen Tag frei nimmt, bis die Quälerei sich auf einen Tag
verringert. So ist man immer damit beschäftigt, seine Stimme zu
erholen, was der Grund dafür ist, daß wir die nächste Tour so
geplant haben, wie wir es haben. Es gibt keine Vierer mehr während
dieser Tournee. Ich gebe keine vier Konzerte mehr hintereinander.
Drei hintereinander, zwei hintereinander. Ich sagte meinem Agenten,
daß dahinter nicht kurzfristiger Profit, sondern ein langzeitiger
Gewinn steht. So wollen wir das handhaben. Wir sprechen von einer
drei oder vier Monate langen Tournee, weswegen wir das Spiel
genauso wie ein Fußballspieler in einem Meisterschaftsspiel
einteilen müssen. Man geht nicht mit einer Knieverletzung auf den
Platz; hin und wieder muß man sich einen Tag frei nehmen, damit
das Knie heilen kann, wenn man das Ende der Saison erleben will.
Bei "Fortunes Of War" und "The Emperors Song" konnten wir uns nie
entscheiden, welcher auf die Single kommen sollte, woraufhin die
Deutschen die Idee hatten, beide Songs auf eine Promotion-CD
zu bringen, und abzuwarten, welchen die Radiosender spielen würden.
Letztlich haben sie eigentlich keinen gespielt. Ich denke, daß
wir beim "Suits"-Album das Problem hatten, die Singles auf die
falsche Art veröffentlicht zu haben, wir waren noch dabei, das
Geschäft als unabhängige Plattenfirma zu lernen und ich denke, wir
haben es vielleicht falsch gemacht. Ich denke, wenn wir "Emperors
Song" als erste Single und dann "Lady Let It Lie" herausgebracht
hätten, hätten wir wohl mehr Erfolg gehabt. Es ist dann so
gelaufen, daß "Lady Let It Lie" erschien und eigentlich nicht das
gebracht hat, was wir uns erhofft hatten, deshalb war es
ziemlich schwer, noch gespielt zu werden. Im Nachhinein bin ich
der Meinung, daß die Studioversion des "Emperors Song" live
gespielt nicht mit der Power und Energie der Liveversion mithalten
kann. Das sind also die Gründe, warum "Emperors Song" und "Fortunes
Of War" als sehr, sehr, sehr limitierte Promotion-Versionen
existieren.
Das ist es, wovon wir im Pub gesprochen haben; ich denke, daß von
"Lady Let It Lie" europaweit etwa 30.000 / 35.000 Exemplare
verkauft wurden, und wir planen keine Neuauflage. Deshalb müßte
"Just Good Friends" als Single herausgebracht uns in die
Stratosphäre einer Hitsingle des Jahres '85 schießen. Dann würde
vieles von dem Material wertvoll werden. Neulich rief mich jemand
an und sagte mir, daß die "The Company"-CD, von welcher meines
Wissens nur etwa 10.000 gepresst wurden, bereits für 50 / 60 Pfund
gehandelt werden. Ich denke, daß es das für Fans interessant macht.
Für die Leute, die damals treue Fans waren, die Leute, die all
das Material kauften, als es erschien. Wenn sich großer Erfolg
einstellt, wird die Plattensammlung tatsächlich sehr wertvoll.
Ich glaube, daß es heute viele Leute gibt, die ihre Plattensammlung
als Aktivposten betrachten. Sie kaufen sich zwei Exemplare und
wissen so, daß sie eines verkaufen können und nach wie vor selbst
eine "Company"-CD - oder welche auch immer - besitzen. Gleichzeitig
haben sie immer noch eine zum Verkauf und wenn sie die für
50 / 60 Pfund verkaufen können, bedeutet das, daß sie mehrere
Exemplare der nächsten CD kaufen oder sich zurückwenden und
die "Market Square Hero"-Picturedisc, die sie damals nicht
ergatterten, erwerben können.
Der Weltrekord für das wie ich denke wohl teuerste Objekt wird
momentan von einem Holländer gehalten, der die 12 Inch-Picturedisc
der ungeschnittenen Version von "Garden Party" für 600 Pfund
verkaufte. Ich kann das kaum glauben. Ich wünschte, ich hätte noch
ein paar von denen. Die Sache ist die, daß es tatsächlich nur
55 davon in der ganzen Welt gibt, so daß sie sehr selten ist.
Wenn wir die CD verschicken, bekommen die Leute Zitate und alles,
was so dazugehört, ohne daß sie erst unzählige Lokalzeitungen
anrufen müssen, mit denen man ja gerne sprechen würde, wozu einem
jedoch eigentlich die Zeit fehlt. Gleichzeitig eröffnet sie
unabhängigen Radiosendern, mit denen man nicht selbst sprechen
konnte, die Möglichkeit, eine Rock-Show oder etwas ähnliches
zusammenzustellen und sie ihren Hörern in Verbindung mit den Titeln
der "Yin"- und "Yang"-Alben vorzuspielen, so daß sie eine
Sendung kreieren können, die mir ein wenig Profil und den Sendern
ein interessantes Programm gibt. Deshalb setzten sich Bill und ich
zusammen und machten diese CD, von der Bill selbst sagt, sie
enthalte viele Informationen, die die Fans noch nicht kannten.
Das hat dann die Idee aufgebracht, daß wir vielleicht eine
gesonderte CD für jedes Album, das ich je gemacht habe,
herausbringen sollten. Eine für "Script", eine für "Fugazi", eine
für "Misplaced", "Clutching", "Vigil", "Internal Exile", "Songs
From The Mirror" und "Suits". Man könnte dann Lied für Lied die
Texte durchgehen und ich könnte mir vorstellen, daß das die
Vorstellung von dem, was "Masque" werden sollte, übernehmen könnte.
Ich könnte mir vorstellen, daß das mit einer CD viel interessanter
sein könnte, als nur herumzusitzen und das schwarz auf weiß
herunterlesen zu können. Wir könnten sie in einer eigenen Schachtel
herausbringen, so daß die Leute sie eher wie ein Magazin kaufen
könnten. Das würde zwischen 2.50 und 3.00 Pfund pro CD kosten und
bedeuten, das die Leute eine andere Sicht der Dinge bekämen. Ich
habe vor, an einem Punkt meines Lebens eine Autobiographie zu
schreiben. Für mich wäre es ein guter Bezugspunkt, wenn ich
einfach herumsitzen und mit jemandem reden könnte. Bill und ich
mußten gerade erst einige Zeit im Studio totschlagen, etwa eine
Sonntagnacht über einer Flasche guten Rotweins, und uns gegenseitig
Müll erzählen. Es gibt viele wirklich interessante Geschichten.
Es wäre einfach, für jedes Album 78 Minuten zusammenzubekommen.
Ich denke, die Leute würde einen Einblick in die Dinge bekommen.
Es ist nicht so, als wären meine Texte sehr kryptisch. Die Texte
sind an bestimmte Personen gerichtet und drehen sich um bestimmte
Geschichten und Bedeutungen. Es ist nicht so, als hätte ich sie
einfach aus meinem Kopf nach einigen Nächten des Bierkonsums oder
ähnlichem zusammengewürfelt. Sie mußten erst herausgearbeitet
werden, deshalb wäre die CD eine Art Reiseführer zu den Texten.
Man könnte immer noch das, was man will, darin erkennen, man kann
immer noch sich und seine Beziehung zu ihnen selbst ausmachen, aber
gleichzeitig gibt es viele Bezugspunkte, wie etwa "Belsize Park"
oder "The Bridge of Sighs" in "Jigsaw" und anderes. Es gibt viele
Punkte auf einer Landkarte. Es wäre wirklich eine feine Sache,
die Karte darzustellen und dahinzugehen - "OK, wo möchtest Du
hin ?".
Jede Woche führen wir Telefongespräche in die Staaten um
herauszufinden, wo die Leute stecken, die den goldenen Weg ins
Nirvana weisen können. Aber bis jetzt ist noch keiner aufgetaucht.
Es könnte der Zeitpunkt kommen - nicht in diesem Jahr, da ich
einfach nicht die Zeit habe, aber vielleicht im nächsten Jahr - an
dem ich rüber gehen und 10 Konzerte geben könnte, falls es für mich
finanziell lohnend und interessant erscheint. Etwa so, wie wir
jetzt in Singapur und Hongkong waren. Aber es ist ein unangenehmer
Ort, um dort zu arbeiten. Ich habe keine Lust, den Rest meines
Lebens damit zu verbringen, durch die Staaten zu touren und das
zu tun, was Saxon und viele andere Bands vor mir gemacht haben.
Gleichzeitig haben einige Bands viel Geld, viel Enthusiasmus,
viel Herz und viel Energie investiert, nur um gar nichts zu
erreichen. Ich würde mich eher auf Europa und Osteuropa
konzentrieren, wo ich tatsächlich eine Reaktion erreiche. Man
reagiert zur Zeit auf mich eher in Südostasien und Japan als in
Amerika. Aber sollte es dazu kommen, bin ich absolut darauf
vorbereitet, dorthin zu gehen, und ich bin mir der treuen
Fangemeinde dort sehr bewußt. Ich würde gerne in der Lage sein,
irgendwann nächstes Jahr rüber zu gehen und vielleicht ein Konzert
in San Fran, San Diego, L.A. und ein Grand Rapids-Konzert und
vielleicht ein Konzert in Chicago und so weiter zu geben.
Möglicherweise könnten wir das auf eine dreiwöchige Tournee
beschränken. Ich bin in Kanada bekannter und habe immer noch keinen
Plattenvertrag in Kanada. Es ist furchtbar, ich bin 37 Jahre alt,
wenn man 23 ist, fällt es einem leicht, 6 Monate seines Lebens
einfach damit zu verschwenden, in den Staaten von Küste zu Küste zu
touren, aber ich kann mir das jetzt nicht erlauben. Ich würde eher
ein neues Album machen.
Wir haben vor, die Tournee im September zu starten, wenn es
klappt, dann wäre das Konzert in Princess Street Gardens am
2.September, am 4. - glaube ich - ein Open-Air-Festival in der
Nähe von Frankfurt in Deutschland, am 7. Liverpool Royal Court,
am 9. Willesden Empire. In Liverpool und Willesden wird der
Preis für eine Eintrittskarte 5 Pfund für jeden, der ein
UB40 hat, und 7 Pfund für jeden, der arbeitet, betragen. Alle
Einnahmen gehen an "The Big Issue", das Magazin für die
Obdachlosen, um ihnen beim Aufbau einer neuen "Big Issue" zu
helfen, die sie im Nordosten Schottlands plazieren wollen. Somit
hat die Sache ein Ziel und die Show in Edinburgh würde das ganze
starten. Das ist praktisch, da ich vom Ansehen der "Big Issue"
profitiere und sie von meinem Ruf profitieren. Ich denke, wir beide
passen ganz gut zusammen, die Art Texte, die ich schreibe, meine
Einstellung, paßt ziemlich gut zu den Ansichten, die "The Big
Issue" vertritt. Wir sind beide unabhängig und wir machen beide
die Dinge auf unsere eigene Art. Grundsätzlich kapitalistisch mit
einem starken linkssozialistischen Einschlag. Dann gehen wir nach
Belgien, wo zwei Open-Air-Festivals stattfinden. Daraufhin geben
wir ein Konzert in Holland, in Groningen im Norden, da ich in der
Zeitschrift der "Company" Holland gesagt hatte, daß ich keine
weiteren Konzerte in Holland geben wolle, weil ich das Gefühl habe,
bereits zu oft dort gespielt zu haben, aber im Norden Hollands
haben wir in der Tat noch nicht gespielt. Ich habe mit Marillion
niemals ein Konzert in Leeuwarden oder Groningen gegeben, am
nördlichsten waren wir wohl in Amsterdam. Deshalb entschädige ich
sie mit dem Konzert in Groningen dafür, daß ich zu Beginn der
vierzehn Jahre nicht dort war. Und von da aus gehen wir nach
Dänemark, Norwegen, Schweden, Finnland, Estland, Lettland, Litauen,
Polen, Tschechien, Ungarn, Österreich, Deutschland, Schweiz,
Italien, Frankreich, Spanien, Portugal, zurück nach Spanien, zurück
nach Frankreich, dann zurück nach Großbritannien. Danach haben
wir etwa anderthalb Wochen nichts, dann über Weihnachten und
Neujahr sechs Konzerte in Südafrika. Diese beinhalten zwei
Workshops mit einheimischen Musikern, einen in Durban und einen in
Prätoria. Von da aus geht es dann nach Japan, dann nach Südostasien
und Australien und dann vielleicht nach Südamerika.
Im Moment organisieren wir das Video, buchen die Tournee, stellen
die Farbabzüge für das Album zusammen. Wir machen das ganze Zeug,
um das sich normalerweise 20 Leute kümmern würden. Aber
gleichzeitig haben wir das ganze unter Kontrolle. Gleichzeitig
ist das ganze unnatürlich intensiv. Mein Problem wird sein, daß
wenn "Just Good Friends" die Erfolgssingle wird, von der eine Menge
Leute, mich eingeschlossen, überzeugt sind, daß sie es wird, es
zu chaotisch werden könnte und ich meine, wir werden jemanden
engagieren müssen, der zwischen mir und der Außenwelt steht,
damit ich ein bißchen Bewegungsfreiheit behalte. Ich habe jemanden,
der sich um das Management in Deutschland kümmert, ich habe eine
Beraterin, die sich um Deutschland, Österreich und die Schweiz
kümmert - Linda Hull - ein schottisches Mädchen aus Glasgow, die
vor Jahren bereits mit EMI zusammenarbeitete. Sie ist sowohl eine
gute Freundin als auch eine brilliante Organisatorin. Sie ist eine
der wenigen Menschen, die das auf die Reihe bekommen. Sie hat
unglaublichen Mumm. Sie zögert nie, mich per Telefon anzubrüllen :
"Sieh zu, daß Du das fertig bekommst !". Das finde ich toll. Aber
zur Zeit können wir uns das in Großbritannien nicht leisten, wir
sind kein Betrieb, der groß genug wäre, sich einen weiteren
ständigen Mitarbeiter leisten zu können. Man muß das aus diesem
Blickwinkel betrachten, jeder, der mit uns zu tun hat, wird an
einer Art langfristiger Verbindung interessiert sein. Man kann
sich nicht einfach umdrehen und jemanden für das Best-Of-Album
nehmen und dann einfach sagen "Nun, vielen Dank für das, was Du
getan hat, aber jetzt hast Du keinen Job mehr". Man muß sich an
die Leute so binden, wie man von ihnen verlangt, daß sie sich an
einen zu binden haben. Wenn wir uns Leute für unsere Firma
aussuchen, geschieht das nach sehr sorgfältiger Überlegung. Ohne
Zweifel ist Jeremy Lawson der beste Gewinn, den meine Firma je
gemacht hat. Wir brauchten jemanden mit professioneller
Einstellung, jemanden, der mit Zahlen umgehen kann, wir brauchten
einen Rechenkünstler und jemanden, den das auch wirklich
interessiert. Jemanden, der seine Motivation und seinen
Adrenalinstoß nicht nur aus der Arbeit mit den Zahlen bezieht,
sondern der sich auch genügend für die andere Seite interessiert,
so daß er sich selbst auch mit der kreativen Seite beschäftigen
kann. Jemanden, zu dem ich mich setzen und den ich fragen kann :
"Kann ich das machen ? Ist das möglich ?". Gleichzeitig weiß er
meinen Mut, mein Draufgängertum zu schätzen.
Ich könnte argumentieren, den Advokaten des Teufels spielen
und sagen, daß man als Manager eines Einzelhandelsmarktes jede
Woche von Vertretern von sechs führenden Plattenfirmen plus
vier großen Independent-Labels angesprochen wird, die einen
fragen "Möchtest Du das neue Pink Floyd-Album kaufen, etc., etc. ?"
Man möchte dann Material kaufen, das sich auch verkaufen läßt.
Also wird man das Pink-Floyd-Album "Pulse", nehmen, man wird
das neue Oasis-Album nehmen, man wird das neue Blur-Album nehmen,
weil man weiß, daß man die los wird. Man macht mit ihnen Gewinn,
und wenn man mit ihnen Gewinn macht, kann man die Leute bezahlen,
die für einen arbeiten, usw., usw.. Man will nicht ein Dream
Disciples-Album nur deshalb nehmen, weil man es mag. Man weiß, daß
es sehr schwer zu verkaufen sein wird. Ich falle in diese
Kategorie - genau wie viele andere, in die die Leute nicht
investieren wollen. Der Händlerpreis beträgt pro CD zur Zeit
8-25. Man nimmt diese 8-25 auf sich und weiß nicht, ob man sie
los wird. Man möchte diese 8-25 verschieben und in einen Gewinn von
drei Pfund verwandeln. Das Problem ist, daß es diese großen Ketten
wie HMV, Our Price, Virgin, W.H.Smith, John Menzies usw. gibt, die
einen großen Preisnachlaß fordern. Eines der Dinge, die in der
"Music Week", einem großen britischen Handelsmagazin, aufgezeigt
wurden, war die Tatsache, daß man sich nun an einem Punkt befindet,
an dem Woolworth so viel Nachlaß erhält, daß sie in der Lage
sind, Alben billiger zu verkaufen als manche der unabhängigen
Läden, denen es gelungen war, die großen Läden zu unterbieten. Und
das ist ziemlich erschreckend. Und das ist der Punkt, an dem ich
das Internet sehe, es nimmt den Händlern einfach die Macht.
"State Of Mind" werden vielleicht viele der Leute, die noch keins
der Alben gekauft haben, für einen guten Song halten. Ich
veröffentliche lieber Live- und Demoversionen der Songs als daß
ich neue schreibe. Wenn ich mich daran mache, neue Songs zu
schreiben, schreibe ich sie lieber für das nächste Album als daß
ich sie auf B-Seiten wegwerfe. Ich weiß, daß es Fans geben wird,
die sich sagen "Warum sollen wir uns die Single kaufen, wenn wir
darauf nur die Stücke des Albums bekommen", aber wie ich bereits
sagte : wenn die Single kein Erfolg wird, wird sie zum
Sammlerstück, wenn sie einer wird, vergrößert das ohnehin die
Fangemeinde. Deshalb bewegt man sich in einem Gebiet, in dem die
Leute die anderen Titel sowieso nicht kennen.
© 1995 by Mark & Julie Wynne ; dt. Übersetung by Andreas Neumann
Teil 1 - Textbücher
Teil 2 - Ausrüstung
Teil 3 - Promotion CDs
Teil 4 - Masque
Teil 5 - Tourneen
Teil 6 - Schauspielerei
Teil 7 - The Funny Farm
Teil 8 - Das Internet
Teil 9 - Vermischtes
Andreas Neumann
(Neumanna@stud-mailer.uni-marburg.de)