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REZENSION (ursprünglich erschienen in AmigaGadget Nr.19)

Fish: "Acoustic Session"

Label :Dick Bros Record Company
Genre :Rock
Spielzeit :44:02 min
Preis :ca. 30 DM
Interpret :Fish
Titel :Acoustic Session

Vor nicht einmal drei Jahren begann eine Form der Musikausübung dank eines Musik-TV-Senders schwer in Mode zu kommen. Die Stars, u.a. Eric Clapton, Nirvana und Paul McCartney stöpselten ihre elektrischen Instrumente aus und spielten stromfrei. Unter dem Label "Unplugged" wurden diese Auftritte ein Renner in der Publikumsgunst und somit auch in den Charts. Der Ex-Marillion-Leadsänger Derek William Dick, genannt Fish, spielte, nachdem sich der Wirbel um die MTV-Reihe gelegt hatte, Ende 1994 im Plattenstudio seines Labels "Dick Bros" ebenfalls eine Platte ohne elektrisch verzerrte und verstärkte Instrumente ein - was unterscheidet nun seine "Acoustic Session" von den "Unplugged"-Konzerten ?

Das Werk von Fish ist übersichtlich aber erlesen. Neben den vier Studioalben, die er mit Marillion aufgenommen hatte, sind nun seit der Trennung von der Band im Jahre 1988 auch vier Solo-Studioalben des Schotten erschienen. Material genug für ein Best-of-Album. Aber das ist die "Acoustic Session" nicht. Denn hier hat Fish fast ausschließlich Material aus seiner Zeit nach Marillion, bevorzugt sogar aus dem keinesweg besonders umwerfenden letzten Album "Suits" verwendet. Doch im einzelnen :

Ein akustischer Auftritt verlangt "handwerkliche" Fähigkeit, die Elektronik ist nicht da, um Schwächen im Ausdruck, im Instrumentenspiel oder im Gesang zu übertonen und so trifft es sich gut, daß Fishs Band aus exzellenten "Handwerkern" besteht. Wie schon bei "Suits" sind die entscheidenden Bandmitglieder die beiden Gitarristen Robin Boult und Frank Usher, die teilweise zur Hochform auflaufen und die entscheidende musikalische Begleitung liefern, sowie der Bassist David Paton, der zusammen mit Boult die von Zeit zu Zeit benötigten "backing vocals" singen durfte. Hinzu tritt als Percussionist (gibt es das Wort im Deutschen ?) Dave Stewart, der seine Sache auch recht gut macht - manche Stücke sind es ob der unauffälligen Instrumentierung wert, laut über Kopfhörer gehört zu werden. Über den Gesang von Fish braucht man wohl keine Worte zu verlieren. Seine Stimme ist neben seinen Fähigkeiten als Texter sein Kapital, die Ausdruckskraft, die er den Stücken verleihen kann, wohl unerreicht und in einer Zeit von Mark'Ohs und Modos wohl leider vom Publikum auch nicht mehr gewünscht.

Ein großer Minuspunkt der CD ist die materielle Seite. Ein Booklet war wohl nicht drin, das Titelbild zeigt lediglich die hämmernden Schmiede vom Dick Bros.-Logo, auf einem Doppelblatt werden die Namen der Stücke und die Copyrightangaben aufgeführt und auf der Rückseite des Faltblattes darf man dann sogar noch ein Foto eines Geige spielenden, Trommel tragenden barfüßigen Fishs bewundern - das war's. Angesichts der doch sehr geringen Spielzeit der CD hätte man sich für den Preis ruhig ein wenig mehr Mühe bei der Aufmachung der "Acoustic Session" machen können. Gerade hierin lag ja bei Marillion/Fish-CDs (auch live) immer eine Stärke. Bleibt zusammenfassend nur festzustellen, daß die CD die Hoffnung nährt, daß "Suits" vielleicht nur ein Ausrutscher war und künftige Alben wieder den gewohnt guten Schotten-Rocker Fish bieten werden. Interessant ist auch, daß die Stücke ihren Charakter behalten, also nicht wie zum Beispiel Eric Claptons "Layla" in der "Unplugged"-Version ihren Stil völlig veränderten, und dennoch auf eine hörenswerte Art neu interpretiert wurden. So erhält man teilweise sehr gelungene Versionen vergangener Hits sowie den partiellen Beweis, daß die Stücke der letzten Studio-CD doch gut klingen können.
Hat man jedoch zuvor noch nie ein Stück von Marillion oder Fish gehört, so wird man mit dieser CD nicht viel anfangen können. Für diesen Personenkreis seien die jeweiligen Debutalben empfohlen :
"Script for a Jester's Tear" von Marillion und "Vigil in a Wilderness of Mirrors" von Fish.
Marillion/Fish-Fans können jedoch beruhigt trotz des stark zu kritisierenden materiellen Preis/Leistungs-Verhältnisses zugreifen, da der Inhalt das Geld wert ist. Es sei jedoch darauf verwiesen, daß die CD eine ruhige ist. Wer also auf ein eher schnelles Stück wie "Garden Party", "Forgotten Sons" oder "Big Wedge" wartet, wird enttäuscht werden.
Für eine ruhige Dreiviertelstunde gibt es jedoch zur Zeit wohl kaum die passendere Musik als Fishs "Acoustic Session". Zumindest bis zur nächsten Marillion- oder Fish-CD.

Andreas Neumann

"I'm number one at the end of the bar" [Fish in "Sugar Mice"]

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Letzte Änderung: 19. Januar 1997
Andreas Neumann (Neumanna@stud-mailer.uni-marburg.de)