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REZENSION (ursprünglich erschienen in AmigaGadget Nr.15)

Marillion: "Brave"

Label :EMI UK.
Genre :Psychedelic-Rock
Spielzeit :71:08 min
Preis :ca. 30 DM
Interpret :Marillion
Titel :Brave

Viel Zeit ist seit ihrem letzten Studio-Album, "Holidays in Eden", vergangen. Doch jetzt sind Marillion wieder da. Und erneut hat sich einiges verändert. Mit den Marillion, die mit Leadsänger Fish melodiöse, pathetische Epen geschaffen hatten, hat das neue Album genauso wenig zu tun wie mit den ersten Scheiben, die sie zusammen mit dem neuen Frontmann Steve Hogarth ablieferten. "brave" ist zunächst einmal ein Konzeptalbum, das erste in der Marillion-Geschichte. (Wenngleich natürlich "Misplaced Childhood" und auch "Clutching at straws" Konzeptalben-ähnliche Züge trugen.) Inspiriert wurde es - nach offiziellem Bekunden der Band - von einem Zeitungsartikel, den Hogarth vor einigen Jahren zufällig entdeckte. Die Polizei hatte ein junges Mädchen aufgelesen, das von zuhause weggelaufen war und auf die Fragen und Hilfsangebote der Beamten keinerlei Reaktion zeigte. Diesem Mädchen schufen Marillion eine fiktive Vorgeschichte, die sie in "brave" musikalisch darstellen.

Der erste Titel "bridge" ist als Einleitung gedacht und versetzt den Hörer in die Lage des gerade von der Polizei entdeckten Mädchens.

When they ask her name
Would she please explain
She simply chooses to say ... nothing.

"living with the big lie" schildert die Widersprüche und Bedrohungen in einer zunehmend aus den Fugen geratenden Welt und "runaway girl" beschreibt die stillen Hilferufe des Mädchens, dessen Reaktionen oft nicht oder mißverstanden werden.

Die Konsequenz folgt mit "goodbye to all that", der Flucht aus dieser Welt. Die Ängste und Psychosen, die Fluchtwege und Hoffnungen werden auch in den weiteren 7 Titeln der CD thematisiert.

Musikalisch ist "brave" sicherlich eines der besten Alben dieses Jahres. Marillion spielen hier so psychedelisch angehaucht wie nie zuvor. Dennoch wird deutlich, daß sie exzellente Rocker sind, allen voran der Ausnahme-Gitarrist Steve Rothery. Aber auch Hogarths rauhe Stimme paßt atmosphärisch hervorragend zur Thematik des Albums. Dazu kommen zahlreiche faszinierende Hall- und Verzerreffekte, die man teilweise erst nach mehrmaligem Hören richtig wahrnimmt. Faszinierend auch die Verwendung von eigentlich Genre-untypischen Musikinstrumenten, wie Cellos, Flöte und einer Art Dudelsack.

Beim Text ist der Gesamteindruck nur leicht differenzierter. Denn obwohl Hogarth nicht an die sprachliche Qualität und den Pathos des früheren Texters und Leadsängers Fish heranreicht, schreibt auch er gute, kritische und interessante Texte.

Just to express what he's thinking
Must a man take all the mail will bring ?
Are we living only for today
It's a sign of the times...we believe anything...and nothing.

Lobenswert auch das ausführliche Booklet und das tolle Front- und Rückseitencover. Und um den positiven Eindruck, den man vom Design der CD gewinnt, abzurunden, ist die Silberscheibe selbst gar nicht silbern, sondern eine Picturedisk.

Zusammenfassend muß man feststellen, daß Marillion nun offensichtlich endlich in der Lage sind, das Leben nach Fish zu gestalten. Die etwas innovationslosen ersten Gehversuche mit Hogarth sind nun mit "brave" offiziell beendet. Wer einem guten Rockalbum mit zahlreichen ruhigen, psychedelisch angehauchten und einigen eindringlichen schnelleren Nummern nicht abgeneigt ist, sollte sich ruhig mal Marillions neueste CD antun. Auch wenn's beim ersten Hören noch nicht funkt : das Album bietet zahlreiche Sahnestückchen.

Andreas Neumann

Außerdem kann ich mich nur der Emfpehlung von Marillion anschließen :

Play it Loud with the lights off.

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Letzte Änderung: 19. Januar 1997
Andreas Neumann (Neumanna@stud-mailer.uni-marburg.de)